Immer mehr deutsche Unternehmen setzen auf erneuerbare Energien und nachhaltige Energiekonzepte – nicht nur aus ökologischer Verantwortung, sondern auch weil sie handfeste wirtschaftliche Vorteile bieten. In diesem Artikel stellen wir Erfolgsgeschichten vor und zeigen, wie Unternehmen den Umstieg auf nachhaltige Energiesysteme meistern können.
Der Wandel in der Unternehmenslandschaft
Die Energiewende ist längst in den Chefetagen deutscher Unternehmen angekommen. Was vor einem Jahrzehnt noch als idealistisches Projekt einiger Vorreiter galt, ist heute ein zentraler Bestandteil moderner Unternehmensstrategien – vom Mittelständler bis zum DAX-Konzern.
Verschiedene Faktoren treiben diese Entwicklung:
- Kostenvorteile: Sinkende Preise für erneuerbare Energien machen diese zunehmend wirtschaftlich attraktiv
- Regulatorischer Druck: Strengere Umweltauflagen und CO₂-Bepreisung erhöhen den Handlungsdruck
- Kundenerwartungen: Verbraucher und B2B-Kunden achten verstärkt auf Nachhaltigkeit
- Investorenforderungen: ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) gewinnen an Bedeutung für Investoren
- Mitarbeitergewinnung: Nachhaltige Unternehmen sind attraktiver für qualifizierte Fachkräfte
- Dr. Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena)"Nachhaltigkeit ist kein Kostenfaktor mehr, sondern ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die heute in erneuerbare Energien investieren, sichern sich langfristig günstige und planbare Energiekosten."
Erfolgsgeschichten aus der deutschen Wirtschaft
1. Mittelstand als Innovationstreiber: Vaillant Group
Das Familienunternehmen Vaillant aus Remscheid, bekannt für Heizungs- und Klimatechnik, hat seine eigene Energieversorgung konsequent umgestellt. Am Hauptstandort erzeugt ein Blockheizkraftwerk Strom und Wärme mit hoher Effizienz, ergänzt durch eine großflächige Photovoltaikanlage auf den Werksdächern. Das Unternehmen hat zudem sein Produktportfolio stark auf nachhaltige Heizsysteme wie Wärmepumpen ausgerichtet.
Besonders bemerkenswert ist der ganzheitliche Ansatz: Vaillant hat nicht nur seine Energieversorgung umgestellt, sondern auch Produktionsprozesse optimiert und eine klimaneutrale Logistik aufgebaut. Bis 2030 will das Unternehmen vollständig klimaneutral wirtschaften.
2. Industrielle Prozesswärme: Niederberger Gruppe
Die Niederberger Gruppe, ein mittelständisches Unternehmen aus der Textilindustrie, hat den Energieverbrauch ihrer Produktionsanlagen revolutioniert. Der Betrieb benötigt große Mengen Prozesswärme für die Textilveredelung – traditionell ein energieintensiver Prozess mit hohen CO₂-Emissionen.
Mit einem innovativen Konzept kombiniert das Unternehmen nun:
- Biomasseheizwerk für die Grundlast der Wärmeerzeugung
- Solarthermische Großanlage für Heißwasser
- Wärmerückgewinnung aus Abwasser und Abluft
- Intelligentes Energiemanagementsystem zur Prozessoptimierung
Das Ergebnis: 70% geringere CO₂-Emissionen und 30% niedrigere Energiekosten. Die Amortisationszeit der Investitionen lag bei nur vier Jahren – schneller als ursprünglich kalkuliert.
3. Corporate Power Purchase Agreements: Daimler AG
Der Automobilkonzern Daimler hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt und will bis 2039 eine CO₂-neutrale Neuwagenflotte anbieten. Ein wichtiger Baustein der Strategie ist die Umstellung auf 100% erneuerbare Energien in allen Werken weltweit.
Anstatt nur Ökostrom einzukaufen, setzt Daimler auf langfristige Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreements, PPAs) mit Betreibern neuer Wind- und Solarparks. Diese Verträge bieten mehrere Vorteile:
- Langfristige Planbarkeit der Energiekosten über 10-20 Jahre
- Tatsächliche Additionalität – es entstehen neue erneuerbare Energieanlagen
- Unabhängigkeit von Preisschwankungen am Energiemarkt
- Glaubwürdige Nachhaltigkeitsbilanz gegenüber Kunden und Investoren
In Deutschland hat Daimler bereits mehrere PPAs abgeschlossen, darunter mit Windparks in Norddeutschland, die nach dem Auslaufen der EEG-Förderung eine wirtschaftliche Perspektive erhalten.
4. Energieautarke Produktion: Festo
Der Automatisierungsspezialist Festo hat in Scharnhausen bei Stuttgart ein Technologiewerk errichtet, das als Vorzeigeprojekt für industrielle Energieeffizienz gilt. Das Werk deckt einen Großteil seines Energiebedarfs selbst:
- Eigenes Blockheizkraftwerk mit Biomethan
- Photovoltaikanlage auf dem Dach
- Geothermieanlage für umweltfreundliches Heizen und Kühlen
- Umfassende Wärmerückgewinnung aus Produktionsprozessen
- Batteriespeicher für überschüssigen Solarstrom
Besonders innovativ ist das integrierte Energiemanagement: Alle Energieflüsse werden digital erfasst und in Echtzeit optimiert. Das System berücksichtigt auch den Energieverbrauch der einzelnen Maschinen und kann die Produktion an die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien anpassen.
Strategien für den Umstieg auf nachhaltige Energiekonzepte
Wie können Unternehmen den Umstieg auf nachhaltige Energieversorgung erfolgreich gestalten? Die folgenden Strategien haben sich in der Praxis bewährt:
1. Energieverbrauch analysieren und optimieren
Bevor in erneuerbare Energien investiert wird, sollte der Energieverbrauch analysiert und optimiert werden. Ein geringerer Verbrauch reduziert nicht nur die laufenden Kosten, sondern verkleinert auch die benötigte Kapazität erneuerbarer Energieanlagen.
Maßnahmen zur Energieeffizienz umfassen:
- Energetische Sanierung von Gebäuden
- Optimierung der Beleuchtung (z.B. durch LED-Technik)
- Modernisierung von Heizungs- und Klimaanlagen
- Effizientere Produktionsprozesse und Maschinen
- Wärmerückgewinnung
2. Eigene Erzeugungsanlagen
Photovoltaikanlagen auf Firmendächern oder Freiflächen sind oft der erste Schritt zur eigenen Energieerzeugung. Je nach Standort und Energiebedarf kommen weitere Technologien in Frage:
- Windenergieanlagen auf dem Betriebsgelände
- Biomasseheizwerke
- Blockheizkraftwerke
- Solarthermie für Prozesswärme
Der selbst erzeugte Strom kann direkt genutzt, in Batterien gespeichert oder bei entsprechenden Rahmenbedingungen ins Netz eingespeist werden.
3. Stromabnahmeverträge (PPAs)
Für größere Unternehmen bieten langfristige Stromabnahmeverträge mit Betreibern erneuerbarer Energieanlagen eine attraktive Option. Diese garantieren Preissicherheit und tragen nachweislich zum Ausbau erneuerbarer Energien bei.
4. Energiemanagement und Digitalisierung
Digitale Energiemanagementsysteme helfen, den Energieverbrauch zu optimieren und die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen optimal zu nutzen. Sie ermöglichen:
- Echtzeit-Monitoring aller Energieflüsse
- Automatische Lastverschiebung bei günstigen Energiepreisen
- Intelligente Steuerung von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch
- Frühzeitige Erkennung von Ineffizienzen
5. Sektorenkopplung
Die Verknüpfung von Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor erhöht die Effizienz des Gesamtsystems. Beispiele für Sektorenkopplung in Unternehmen:
- Umstellung des Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge, die mit selbst erzeugtem Solarstrom geladen werden
- Nutzung von Überschussstrom für die Wärmeerzeugung (Power-to-Heat)
- Einsatz von Wärmepumpen, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden
- Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW"Die Transformation zu nachhaltigen Energiekonzepten ist komplex, aber sie bietet auch enorme Chancen. Unternehmen, die jetzt handeln, sichern sich Wettbewerbsvorteile und machen sich fit für eine Zukunft, in der CO₂-armes Wirtschaften zum Standard wird."
Finanzierungsmodelle und Fördermöglichkeiten
Die Umstellung auf erneuerbare Energien erfordert Investitionen, die sich jedoch langfristig auszahlen. Verschiedene Finanzierungs- und Fördermodelle können die Anfangshürden senken:
1. Staatliche Förderprogramme
Auf Bundes- und Länderebene gibt es zahlreiche Förderprogramme für Unternehmen:
- Bundesförderung für Energieeffizienz in der Wirtschaft (BEW): Zuschüsse für Effizienzmaßnahmen und erneuerbare Prozesswärme
- KfW-Programme: Günstige Kredite für Energieeffizienz und erneuerbare Energien
- BAFA-Förderung: Zuschüsse für Energieberatung und Umstellung auf erneuerbare Energien
- Länderspezifische Programme: Je nach Bundesland zusätzliche Fördermöglichkeiten
2. Contracting-Modelle
Beim Energie-Contracting finanziert und errichtet ein spezialisierter Dienstleister (Contractor) die Energieerzeugungsanlagen und übernimmt oft auch deren Betrieb. Das Unternehmen zahlt für die gelieferte Energie und/oder die erzielten Einsparungen. Vorteile:
- Keine oder geringe Anfangsinvestition
- Risikoübertragung auf den Contractor
- Nutzung von Spezialwissen
- Konzentration auf das Kerngeschäft
3. Leasing und Mietmodelle
Besonders für Photovoltaikanlagen gibt es attraktive Leasing- und Mietmodelle, bei denen die Anlage ohne Eigenkapitaleinsatz genutzt werden kann. Die monatlichen Raten werden aus den Einsparungen bei den Stromkosten finanziert.
4. Bürgerenergiegenossenschaften
Eine innovative Option ist die Kooperation mit Bürgerenergiegenossenschaften. Dabei wird beispielsweise eine Photovoltaikanlage auf dem Firmendach von einer Genossenschaft finanziert und betrieben. Das Unternehmen kauft den Strom zu vereinbarten Konditionen ab und kann so seine Klimabilanz verbessern, ohne selbst investieren zu müssen.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Der Umstieg auf erneuerbare Energien bringt auch Herausforderungen mit sich, für die jedoch praxiserprobte Lösungen existieren:
1. Versorgungssicherheit
Herausforderung: Wind- und Solarenergie sind naturgemäß schwankend und nicht immer verfügbar, wenn Energie benötigt wird.
Lösungen:
- Kombination verschiedener erneuerbarer Energiequellen (Hybrid-Systeme)
- Energiespeicher (Batterien, thermische Speicher)
- Intelligentes Energiemanagement und Lastverschiebung
- Absicherung durch Netzanschluss oder Backup-Systeme
2. Komplexität und Know-how
Herausforderung: Die Planung und Umsetzung nachhaltiger Energiekonzepte erfordert spezialisiertes Wissen, das in vielen Unternehmen nicht vorhanden ist.
Lösungen:
- Externe Energieberatung und -planung
- Kooperation mit spezialisierten Dienstleistern
- Contracting-Modelle mit Komplettservice
- Aufbau eigener Kompetenz durch Schulungen
3. Regulatorische Rahmenbedingungen
Herausforderung: Das Energierecht ist komplex und ändert sich häufig, was die Planungssicherheit erschwert.
Lösungen:
- Regelmäßige Beratung zu rechtlichen Änderungen
- Flexible Konzepte, die an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden können
- Branchenverbände und Netzwerke für Informationsaustausch nutzen
Fazit: Nachhaltigkeit als strategischer Wettbewerbsvorteil
Die vorgestellten Beispiele zeigen: Deutsche Unternehmen können durch den Umstieg auf erneuerbare Energien sowohl ihre Klimabilanz verbessern als auch handfeste wirtschaftliche Vorteile erzielen. Die Kombination aus sinkenden Kosten für erneuerbare Technologien, steigenden Preisen für konventionelle Energien und wachsendem Druck von Kunden, Investoren und Regulierungsbehörden macht nachhaltige Energiekonzepte zu einem strategischen Imperativ.
Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch einen ganzheitlichen Ansatz aus, der über die bloße Installation von Solarmodulen hinausgeht. Sie integrieren erneuerbare Energien in ihre Geschäftsprozesse, nutzen die Vorteile der Digitalisierung und entwickeln innovative Geschäftsmodelle, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit verbinden.
Die Transformation zu nachhaltigen Energiesystemen ist keine einfache Aufgabe, aber sie bietet enormes Potenzial für Unternehmen, die bereit sind, innovative Wege zu gehen. Die Zeit zu handeln ist jetzt – nicht nur aus ökologischer Verantwortung, sondern auch aus unternehmerischer Weitsicht.